Franziska Heinzen & Benjamin Mead – Swiss Love. Der Liebe Leid und Lust
Franziska Heinzen & Benjamin Mead
Swiss Love. Der Liebe Leid und Lust
Katalog Nr.: SM 477
Veröffentlichung: 10.01.2025
Zentralbibliothek Zürich Neujahrsstück 2025
Aus der Schweiz in die Welt …“ Liedkomposition in der Schweiz: Deutsche Kunstlieder, Volkslieder und Mundartlieder
«Was ist des Deutschen Vaterland? Ist’s Land der Schweizer? ist’s Tirol?», fragte Ernst Moritz Arndt, Lyriker der Befreiungskriege gegen Napoleon, in einer Strophe seines gleichnamigen patriotischen Liedes aus dem Jahr 1813 rhetorisch und antwortete gleich selbst: «Das Land und Volk gefiel mir wohl. Doch nein! nein! nein! Sein Vaterland muß größer seyn.» Die Schweiz als ein Teil Grossdeutschlands. Die Viersprachigkeit des Alpenlandes – ein Problem für die sich auf Johann Gottfried Herders Idee der Nation als einer Sprachgemeinschaft stützende Sicht Arndts – thematisiert der Dichter nicht. Vielleicht weil er die Schweiz als künstliches Gebilde betrachtete?Das lange 19. Jahrhundert war eine Zeit der Gegensätze, der Unsicherheit und der Widersprüche für die sich zum modernen Staat formierende Schweiz, zumal die Bundesverfassung des Jahres 1848 sie zu einer republikanischen Insel im Herzen Europas machte. Zur Zeit der napoleonischen Kriege wurde sie zum Exilort für Wehrdienstverweigerer wie Joachim Raffs Vater Joseph, im Vormärz für aufsässige Dichter wie Georg Herwegh oder Ferdinand Freiligrath und nach der niedergeschlagenen Revolution von 1848/49 für verfolgte Revolutionäre wie Richard Wagner. Gleichzeitig blieb sie ein locus classicus des Ursprünglichen, das seit Jean-Jacques Rousseau auch für gesellschaftliche Eliten zum freiheitlichen Sehnsuchtsort avancierte, verklärt in Kassenschlagern wie der sentimental-biederen Oper Die Schweizerfamilie des Österreichers Joseph Weigl oder Gioachino Rossinis Guillaume Tell – obwohl sich viele Schweizreisende wie Fanny Mendelssohn schockiert über die ärmlichen Zustände auf dem Land zeigten. Das kulturelle Leben der Deutschschweiz ist einerseits von der Zugehörigkeit zum deutschen Kulturraum und der Orientierung an den dort etablierten Mechanismen geprägt, andererseits von unterschiedlich gewichteter Betonung des Nationalen, Eigentümlichen, Charakteristischen. Um die Jahrhundertmitte boten die Schweizer Städte erst wenige Möglichkeiten, den Nachwuchs professionell auszubilden und zu beschäftigen. Als direkte Folge ist die Musiklandschaft durch Migration geprägt: In der Schweiz sozialisierte Komponisten wie Franz Xaver Schnyder von Wartensee oder Joachim Raff machten im Ausland Karriere; weitere liessen sich in Deutschland ausbilden. Andere prägende Persönlichkeiten stammten hingegen aus den deutschen Ländern. Die Lieder der in der Schweiz wirkenden Komponistinnen und Komponisten reagieren auf die zeittypischen Begebenheiten. Schon vor Franz Schubert differenzierte das Kunstlied eine beeindruckende Vielfalt aus, vom einfachen, volkstümlich wirkenden Strophenlied bis hin zur verkappten virtuosen Opernarie. Lieder sind Bestandteil der Hausmusik und dienen Musikliebenden zur Unterhaltung; in der Form des Chorlieds hatte das Lied eine wichtige Funktion im geselligen Beisammensein, trug aber auch erheblich zur nationalen Identitätsbildung bei. Zudem war es Teil der genre- und besetzungsübergreifenden Konzertprogramme oder des aufkommenden Formats des Liedrezitals. Alle drei Komponisten und die Komponistin, die auf dieser Einspielung mit einem Zyklus oder Liederheft vertreten sind, erhielten zeitweise Unterricht im «grossen Kanton» (Deutschland), orientierten sich in der Gedichtwahl am deutschen Kunstlied und hofften auf Absatz auf den deutschen Märkten.
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