Jean-Nicolas Diatkine – Chopin Piano Sonata No. 3 op.58 & Complete Préludes
Jean-Nicolas Diatkine
Chopin Piano Sonata No. 3 op.58 & Complete Préludes
Katalog Nr.: SM 433
Veröffentlichung: 06.10.2023
Jean-Nicolas Diatkine – Chopin Piano Sonata No. 3 op.58 & Complete Préludes
Von der Langform zur Kurzform: Dies scheint die Reise zu sein, auf die uns Jean-Nicolas Diatkine in seiner aktuellen CD von Chopins dritter Klaviersonate zu den vierundzwanzig Präludien hinschickt. Doch dieser Eindruck trügt, zumindest zum Teil. Gewiss, die Préludes sind für sich genommen Miniaturen, aber sie bilden auch ein Ganzes, das doppelt so lang ist wie die Sonate. Und sie als Ganzes zu betrachten ist legitim, ja, sogar notwendig. Sie wurden als ein Block niedergeschrieben, dessen Kohärenz in der Abfolge der Tonarten zum Ausdruck kommt. Das erwähnte kohärente Ganze ist allerdings stilistisch durchaus von einfallsreichen vielfältig und abwechslungsreich, und zwar so sehr, dass die einzelnen Stücke Interpreten sogar mit aussagekräftigen Titeln versehen wurden. Dies ist das erste Paradoxon dieses meisterhaften Werks. Das zweite Paradoxon liegt in seinem Titel. Qua definitionem stellt ein „Präludium“ immer die Frage, worauf es einleitet. Die kleine Form erlaubt es uns, das Unendliche zu befragen, denn selbst wenn sie abgeschlossen, eng umrissen und umschrieben ist, bleibt sie unschlüssig, gewissermaßen in der Schwebe wie eine Einleitung, auf die keine Entwicklung folgt. Zweifellos ist die Bezeichnung „Präludium“ auch deshalb interessant, weil wir auf die Frage, worauf es eigentlich zuspielt, keine fertige Antwort haben.
So gesehen ist Jean-Nicolas Diatkines Version der Préludes weder eine Darbietung (auch wenn es sich um eine solche buchstäblich handelt) noch eine Demonstration. Vielmehr beansprucht sie eine bestimmte Eigenschaft für sich: Spontaneität. Die Spontaneität dieses Interpreten ist aber weder ein Eindringen des eigenen Ichs in die Ideen des Komponisten noch der hermeneutische Ersatz für die Inspiration, die das Werk hervorgebracht hat. Nein, seine Spontaneität ist die klarsichtige Kühnheit, an eine Interpretation zu glauben, bei der ein Musiker so sehr in ein Stück (oder in 24) eintauchen kann, dass er sich die Freiheit nimmt, dem Zuhörer zu zeigen, was das Werk ihm offenbart, wozu es ihn geöffnet hat.
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