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Armoniosa

Das fünfköpfige Ensemble um die Brüder Stefano und Francesco Cerrato hat sich weit über historisch informierte Kreise hinaus einen gebührenden Namen gemacht. 2012 in der piemontischen Stadt Asti gegründet, überraschten Armoniosa auf ihrem Debüt-Album (mdg) mit Vivaldis Konzertsammlung La Stravaganza, die sich gegenüber der Unmenge von Einspielungen »wie eine Frucht aus den verschiedenen Versuchen, wenn nicht sogar Experimenten der letzten gut zwanzig Jahre, Vivaldi zu interpretieren, anhört« – eine »frische, kraftvolle und stilistisch vollkommen überzeugende Aufnahme« (klassik.com). Nicht weniger euphorisch waren die Reaktionen auf die Nachfolger mit Triosonaten des Italieners Giovanni Benedetto Platti (mdg) und Cellosonaten von Carlo Graziani (Rubicon Classics), welche für ihren Repertoirewert und der außerordentlichen Interpretation Bestnoten der Kritik erhielten.
Nun wenden sich die fünf ein weiteres Mal der Musik Antonio Vivaldis zu und lassen das stilbildende Opus 3 L’estro armonico im neuen alten Klanggewand erscheinen! Denn Armoniosa-Cembalist Michele Barchi hat die Konzertsammlung für die spezielle Besetzung des Ensembles – Geige, fünfsaitiges Cello ›piccolo‹, Cello, Orgel und Cembalo – überarbeitet. Das Ergebnis ist ein nahezu voller Orchesterklang, der die reiche Ausdruckskraft der 1 2 Concerti von Vivaldi aufs Neue belegt. Gleichzeitig belebt Armoniosa in diesem Vorgehen nicht nur die Musik, sondern auch die Bearbeitungspraxis des 1 8. Jahrhunderts, welche gerade in den Konzerten Vivaldis eine schier unerschöpfliche Quelle zur kreativen Auseinandersetzung fand.
L’estro armonico war Vivaldis erste Konzertveröffentlichung. 1711 ließ er sie in Amsterdam vom renommierten Verleger Estienne Roger publizieren und gelangte damit zu europäischem Ruhm. Mit ihrer musikalischen Qualität aus konzertanter Energie und Kantabilität sowie dem stilbildenden Modell der dreisätzigen Anlage und Ritornellform wirkte sich die Sammlung wie kaum ein anderes Werk auf die Entwicklung des Solokonzerts auch nördlich der Alpen aus. Auf den Flötisten und Komponisten Johann Joachim Quantz machten sie, »als eine damals gantz neue Art von musikalischen Stücken, bey mir einen nicht geringen Eindruck.« Prominentestes Beispiel für die Wirkungskraft der Konzerte sind sicherlich die Bearbeitungen Johann Sebastian Bachs für Tasteninstrumente und als Konzert für vier Cembali mit Orchester. Sie dienten auch als Vorlage für die Transkriptionen der vorliegenden, belebenden Einspielung, die sich trotz Bearbeitung – oder gerade wegen des sensiblen Umgangs mit der Vorlage – auch ›historisch informiert‹ nennen darf.

Diskografie